Zwei Leistungserbringer von Einrichtungen für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung gehen neue Wege bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels und entwickelten eigenes Konzept – Anerkennung durch das zuständige Landesamt erfolgte schnell
Kettig/Hachenburg. Der allgegenwärtige Fachkräftemangel macht auch vor Einrichtungen der Eingliederungshilfe nicht Halt und stellt Träger von Besonderen Wohnformen und Tagesförderstätten für erwachsene Menschen mit geistiger Beeinträchtigung im Land vor eine große Herausforderung.

Um dem entgegenzuwirken, entwickelten zwei Organisationen aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz in einer Kooperation die zweijährige berufsbegleitende Qualifizierungsreihe „Fachkraft für Betreuung und Assistenz im Wohnen und in der Tagesstruktur von Menschen mit Beeinträchtigung“ auf Grundlage von §13 Abs. 3-4 LWTG-DVO (Landeswohn- und teilhabegesetz-Durchführungsverordnung) des Landes Rheinland-Pfalz, für Quereinsteiger in Einrichtungen der Eigliederungshilfe, die eine dreijährige Berufsausbildung im Handwerk oder der Hauswirtschaft nachweisen können. Die Anerkennung vom Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung erfolgte schnell, so dass die Qualifizierungsreihe vom 26. September 2023 bis zum 10. April 2025 erstmals erfolgreich von ihnen umgesetzt wurde.
Langjährige Erfahrung hinsichtlich der Assistenz von Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen und eine kongruente Zusammenarbeit machte es den Verantwortlichen der Förder- und Wohnstätten Kettig (FWS) und denen der Gemeinnützigen Gesellschaft für Behindertenarbeit Hachenburg (GFB) leicht, gemeinsam die Bausteine zusammenzustellen, um den theoretischen Anforderungen der Fachqualifizierung gerecht zu werden.

Die Inhalte verteilten sich auf insgesamt 250 Unterrichtseinheiten. 120 UE umfassten die 7 Grundlagenmodule, die zu Beginn der Qualifizierung durchgeführt wurden. Sie bildeten die fachliche Basis für ergänzende Themenschwerpunkte, die mit 130 UE in 9 vertiefenden Zusatzmodulen Aspekte beinhalteten, die in der Arbeit mit Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen wesentlich sind.
Darüber hinaus waren 50 Unterrichtseinheiten für Selbststudium und Hausaufgaben sowie eine mündliche Abschlussprüfung vorgesehen. Diese befähigt die Teilnehmenden, selbständig in Betreuung und Assistenz von Menschen mit Beeinträchtigung in Besonderen Wohnformen und in der Tagesstruktur tätig zu sein.
Thematisch umfasste die Qualifizierungsreihe ein breites Spektrum an Themengebieten: die Grundlagen der Heilpädagogik, die individuelle Bedarfsermittlung und die Grundlagen des Gesamtplanverfahrens, rechtliche Grundlagen, Strategien für eine gelungene Gesprächsführung, Herausforderungen in der Assistenz von Menschen mit Beeinträchtigungen im Alter, den Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten, verschiedene Behinderungsformen und Störungen, Erlebnispädagogik, Teilhabe am Arbeitsleben, zahlreiche pflegerische Aspekte, Unterstützte Kommunikation, Basale Stimulation und Snoezelen, Kinästhetik, Begleitung am Lebensende nach den Prinzipien von Palliative Care, Freiheitsentziehende Maßnahmen, Gewaltschutz, Medikamentenmanagement und Sexualität im Leben von Menschen mit Beeinträchtigung.
Frau Regine Schuster, stellvertretende Landesgeschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Rheinland-Pfalz/Saarland, reiste am 10. April eigens zur Zertifikatsübergabe an, die im Anschluss an die mündliche Abschlussprüfung in Kettig stattfand. Sie äußerte sich anerkennend zum Engagement ihrer beiden Mitgliedsorganisationen, die mit der Entwicklung und Durchführung der Fachqualifizierungsreihe Pionierarbeit geleistet und eine Vorbildfunktion im Verband erlangt hätten. Mit wertschätzenden Worten würdigte sie die gelungene Umsetzung. In der heutigen Zeit, so Regine Schuster, sei es wichtiger denn je, Menschen zu gewinnen, die sich beruflich nochmal verändern wollen. Dass ihnen dies mit dem Qualifizierungsgang ermöglicht wurde und gleichzeitig dem Fachkräftemangel entgegengetreten worden sei, wertete sie als zukunftsfähiges Modell.

Den 12 Teilnehmenden, die bei unterschiedlichen Trägern beschäftigt sind, dankte sie für ihr Engagement, ihr Durchhaltevermögen und die investierte Zeit. Sie beglückwünschte alle zu ihrer Leistung und ermutigte dazu, mit Kolleginnen und Kollegen über die gesammelten Erfahrungen zu sprechen, damit der Qualifizierungsgang auch perspektivisch als berufsbegleitende Weiterbildungsmöglichkeit Bestand habe.
Mario Habrecht, Geschäftsführer der GFB und Dozent in der Qualifizierungsreihe, lobte die Teilnehmenden für die Leistung der beiden letzten Jahre ebenso wie für das umfangreiche, neu erworbene Wissen, das nun in der Praxis weiter verinnerlicht werden könne. Er hob das Zusammenwachsen der Gruppe und das lebendige Miteinander hervor, das aufgrund der unterschiedlichen Berufs- und Lebenserfahrungen jede Unterrichtseinheit auf positive Weise unterfüttert habe.
Iris Schubert, Geschäftsführerin der FWS Kettig und ebenfalls selbst Dozentin, betonte das Anliegen, die erbrachte Leistung der Teilnehmenden mit den neu erworbenen Kompetenzen auch durch eine entsprechende Vergütung zu honorieren und dass dieser Sprung dank des Paritätischen Tarifs in angemessener Weise gelingen würde. Sie regte die Teilnehmenden an, auch weiterhin miteinander vernetzt zu bleiben und schätzte den Erfolg der Teilnehmenden mit anerkennenden Worten.
Abschließend betonten Iris Schubert und Mario Habrecht gemeinsam, dass diese Kooperation zeigt, dass man sich als unterschiedliche Organisationen nicht als Konkurrenz, sondern als Partner verstehen sollte. Nun zu sehen, dass die viele Arbeit die in der Entwicklung und Umsetzung der Qualifizierungsmaßnahme steckt, Früchte trägt, erfüllt beide mit Freude uns Stolz. Zudem dankten die beiden allen Beteiligten in den jeweiligen Organisationen, die zu dem Gelingen der Maßnahme beigetragen haben.
Der nächste Qualifizierungsgang beginnt im September 2025, die ersten Anmeldungen liegen bereits vor. Die Verantwortlichen der FWS und der GFB freuen sich auf eine weitere erfolgreiche Weiterbildungsmaßnahme, aus der frischgebackene Fachkräfte für Betreuung und Assistenz im Wohnen und in der Tagesstruktur von Menschen mit Beeinträchtigung hervorgehen.